Angedacht - Der monatliche Impuls

19. Februar 2017

Angedacht - Der monatliche Impuls

Es gibt Tage, die verfolgen einen bis ins Bett. Mir geht das oft so, wenn ich am Tag viel zu tun hatte und es keine Zeit gab, in der ich zur Ruhe kommen konnte. Dann liege ich abends im Bett und das Licht ist zwar aus, aber mein Kopf ist an. Und ich drehe mich von links nach rechts und zurück, aber ich finde keine Ruhe. Eigentlich müsste ich noch mit einem Freund reden, müsste noch den Tag verarbeiten, vielleicht eine andere Meinung, eine andere Sichtweise hören. Aber es bleibt dabei: Ich liege unruhig da und meine Gedanken schwirren. Des Nachts finde ich keine Ruhe.

In den nächsten Wochen werden wir in unseren Gottesdiensten und Andachten wieder sehr intensiv an den Leidensweg Jesu erinnert. Wir werden uns vor Augen führen, wie dieses Leben, das Jesus im Namen seines Vaters geführt hat, enden musste. Es wird berichtet, dass Jesus am Kreuz den Psalm 22 gebetet hat (Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?). Und in diesem Psalm heißt es dann weiter:

Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht, und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe. (Ps. 22,3)

Was da ausgesagt wird, ist ja doch noch viel schlimmer als ein stressiger Alltag und Einschlafprobleme. Für mich ist das Schreckliche an diesem Vers das Schweigen Gottes. Da schreit ein Mensch in seiner Not Tag und Nacht – und Gott bleibt stumm. Viel zu oft ist der Glaube ja ein sehr einseitiges Gespräch. Ein Rufen in einen dunklen Raum hinein, von dem man nicht weiß, ob jemand in diesem Raum steht: Hallo? Ist das jemand?

Dass nun aber gerade Jesus, der mit seinem Leben den Menschen Gott nahe gebracht hat,
der den Zachäus vom Baum ruft und mit ihm essen geht,
der sich zu Sündern an den Tisch setzt,
der Gottes Nähe zu den Menschen bringt, die sonst immer nur angeschwiegen wurden in ihrem Leben,
dass Jesus gerade diesen Psalm am Ende seines Lebens betet, ist für mich ein starkes Zeichen der Solidarität:

Das Gefühl, auf sich selbst gestellt zu sein,
das Gefühl von Einsamkeit (in einem stressigen Leben),
ja, selbst das Gefühl, nicht glauben zu können, weil man ohnehin keine Antwort erhält,
- all das hat Jesus selbst durchgemacht.

Gerade da, wo wir in einen dunklen, stillen Raum hineinrufen und keine Antwort hören, da können wir daran denken, dass Jesus quasi neben uns steht. Er kennt das Gefühl! Aber er hat nicht lockergelassen. Vielleicht ist das eine Lebensweise, die wir uns bei Jesus absehen können: nicht lockerlassen, wenn die Zweifel da sind. Denn Gott lässt uns nicht fallen – so wie er seinen Sohn festgehalten hat.

Eine ruhige Passionszeit und eine freudige Osterzeit wünscht Ihnen

Ihr Pastor Sebastian Sievers