Brauchtum und Aberglaube
Im Rahmen der Reihe „denk:anstoß“ hatte die Gruppe der Lebendigen Gemeinde zu einer magischen Winternacht unter Sternen eingeladen. Stattgefunden hat ganze Spektakel am 16. Februar, wie üblich an einem Freitagabend. Der Gemeindegarten wurde mit einem magischen Flair vorbereitet: die noch winterkahlen Buchen wurden mit verschiedenfarbigen Strahler angeleuchtet, etliche Kerzen flackerten fröhlich vor sich hin und Feuerkörbe luden mit warmem Schein zum Verweilen und Aufwärmen ein. Auf Bänken - komfortabel mit Decken bestückt - konnte man es sich zum Plaudern gemütlich machen. Auch das leibliche Wohl kam nicht zu kurz: gegen eine freiwillige Spende sorgten roter und weißer Glühwein sowie Früchtepunsch für innere Wärme und die goldbraunen, knackigen Bratwürstchen frisch vom Grill fanden regen Zuspruch.
Nach einer ersten Stärkung konnte ein ganz besonderer Gast begrüßt werden. Die schwarze Witwe gab sich die Ehre und erzählte den Anwesenden bei einem Rundgang um die Kirche von den verschiedensten Bräuchen und Ritualen rund um die Bestattungskultur aus längst vergangenen Tagen. Bei diesem schaurig-schönen Spaziergang konnte man erfahren, wie der Friedhof zu seinem Namen kam (umfriedeter Bereich = Friedhof), welche Aufgaben eine Leichenbitterin hatte, was ein Obolus ist und wer ihn bekam, wie lange eine Trauerzeit dauern sollte und dass nicht nur die Farbe Schwarz, sondern auch Weiß eine spezielle Bedeutung in der Trauerzeit hatte. Um zu verhindern, dass man womöglich lebendig begraben wurde, gab es verschiedene Prüfungen, ob eine Person auch wirklich tot sei. Zur Sicherheit wurden Särge auch mit Klappspaten und Glöckchen ausgestattet. Andererseits wollte man sich vor möglichen Wiedergängern schützen, denen man nicht Gutes zutraute. Da diese unter Zählzwang leiden sollten, aber nicht weiter als bis drei zählen könnten, sollte man ihnen entweder ein paar Erbsen, eine Handvoll Mohnsamen oder Kieselsteine in den Weg streuen. Sie wären dann mit Zählen beschäftigt und man könnte ihnen davon laufen. Einer Wiederkehr von Hexen dagegen könnte man mit einem auf den Sarg genagelten Hufeisen vorbeugen, da diese bekannterweise Angst vor Pferden hätten. Auf vielen Grabsteinen fanden sich damals sogenannte Vanitas (Symbole der Vergänglichkeit) als Zeichen für die Nichtigkeit des Daseins. Als Beispiel zeigte die Schwarze Witwe das Bild eines Grabsteins, auf dem der Sensenmann Seifenblasen pustet. Sie erklärte auch die Bedeutung von verschiedenen Schutzzaubern, von denen auch heute noch einige bekannt sind. Die Buchstaben CMB über der Haustür stehen nicht für die Namen der Heiligen drei Könige Caspar, Melchior und Balthasar, sondern für den lateinischen Spruch „Christus mansionem benedicat“ (zu deutsch: Christus segne dieses Haus). Noch viele weitere interessante und teils skurrile Geschichten wusste die Schwarze Witwe an diesem Abend zu berichten. In den alten Zeiten herrschte reger Aberglaube mit heute merkwürdig anmutenden Riten und Bräuchen. Doch damals wie heute gehört der Tod zum Leben dazu, was folgender Spruch sehr schön ausdrückt: Den eigenen Tod stirbt man nur, mit dem der anderen muss man leben.
Nach Verabschiedung der Schwarzen Witwe saß die Gemeinde noch lange im Schein der Flammen beisammen, genoss den Zauber der magischen Winternacht und sprach über die vielen sonderbaren Geschichten, die an diesem Abend erzählt worden waren.
Die Lebendige Gemeinde bedankt sich ganz herzlich bei Frau Sabine Lühning von der Stadtführung Verden für ihren wunderbaren Auftritt als Schwarze Witwe. Ein dickes Dankeschön geht auch an Grillmeister Uwe und an alle fleißigen Helfer, die diesen Abend durch ihre Mithilfe zu so einer besonderen Veranstaltung gemacht haben. Und natürlich auch vielen Dank an alle Gäste, die das Spendenschwein der Lebendigen Gemeinde so reichlich gefüttert haben.